Die posttraumatischen Belastungsstörung (Feistauer)

Dr. Ernst Feistauer

Traumabehandlung, Ansätze am Beispiel der PTBS

Die Begleitung von Menschen, die eine traumatisierende Erfahrung gemacht haben und vielleicht auch aktuell nach objektiven und subjektiven Kriterien noch bedrohlichen Situationen ausgesetzt sind, ist eine besonders herausfordernde, aber auch sehr lohnende Aufgabe der Psychotherapie, hier kann sehr viel Leid aufgefangen und gemildert werden.

Selbst, wenn Sie sich nicht für das Spezialgebiet der Psychotraumatologie entschieden haben, ist es doch hilfreich, sich mit den Phänomenen der Traumatisierungen auseinandergesetzt zu haben, denn auch in sogenannten herkömmlichen Therapiesituationen kann es vorkommen, dass bisher nicht bewusste Verletzungen aktualisiert werden. Zudem wird die Anzahl von Betroffenen, die Kriegs-, Folter- und Fluchterfahrungen durchleben mussten, und nun Hilfe in Institutionen suchen und auch dringend benötigen, weiter steigen. Grundlegende Kenntnisse der Traumatherapie und praktische Fähigkeiten sollten sich also jedenfalls im Repertoire finden.

Herausfordernd ist diese therapeutische Begegnung natürlich auch für die Betroffenen. Die Bewältigung von Traumafolgestörungen, die Bearbeitung des Traumas an sich und letztlich die Integration des Erlebten in die eigene Biografie verlangt sehr viel Mut und sehr viel Vertrauen. Vertrauen bedeutet in diesem Zusammenhang die Fähigkeit, die Kontrolle über seine Verletzbarkeiten aufzugeben.

Erklärungsmodelle für die Entstehung einer PTBS gibt es viele, aus unterschiedlichen Schulen und Denkmodellen. Daher gibt es mittlerweile auch sehr viele, gut dokumentierte und sehr wirksame Behandlungs–Methoden und Interventionen aus verschiedenen Ansätzen.

Die folgenden Ausführungen orientieren sich an den Modellen aus der Tradition und den Entwicklungen der Verhaltenstherapie. Die mit dem Klienten abgestimmte Auswahl der Methoden in der individuellen Therapie bleibt aber – wie immer – freies Kalkül.

Der Aufbau dieses Beitrages:

V.9.1.Theoretischer Teil:

Traumadefinition

Diagnostik

Mögliche Erklärungsmodelle der PTBS

Zwei Faktoren-Theorie, Mowrer

Trauma und Hirnfunktionen

Dissoziationen als Folge von Traumatisierungen, Ausformungen

Durch Taumata verletzte Grundannahmen

Kognitionen / Emotionen / Interpretationen

V.9.2. Praktischer Teil

Grundsätzliches

Methodik:

               Stabilisierung

               Traumabearbeitung

               Kognitive Umstrukturierung

               PE Prolongierte Exposition

               EMDR Eye Movement Desensitization and Reprocessing

               Praktisches Vorgehen bei dissoziativen Störungen

Integration        

V.9.1. Traumadefinition:

Der Begriff Trauma bedeutet eigentlich Verletzung oder Wunde, und stammt ursprünglich aus dem medizinischen Bereich.

Anhand eines Beispiels einer körperlichen Verletzung kann man das gut erklären:

unser Körper ist darauf ausgelegt und durchaus in der Lage, leichtere Verletzungen ohne langdauernde Schäden zu kompensieren.

Wenn wir aber Verletzungen erleiden, die den Reizschutz, also die Kompensationsmöglichkeit des Organismus, durchbrechen, erleiden wir ein Trauma, vom Bluterguss bis hin zu einer Fraktur bis hin zu lebensgefährdenden Wunden.

Dieses Bild kann man auf die Betrachtung seelischer Traumatisierungen übertragen, und der Traumabegriff ist mittlerweile auch sehr weit gefasst. Eine nachhaltige Erschütterung ist gegeben, wenn unser psychischer Reizschutz durchbrochen wird.

Ein psychisches Trauma kann also als ein `Diskrepanzerlebnis´ zwischen einer bedrohlichen Situation und den jeweiligen aktuellen individuellen Bewältigungsmöglichkeiten definiert werden.

Wie sind also die genaueren Bedingungen für eine psychische Traumatisierung definiert:

es handelt sich um ein oder mehrere Ereignisse, wobei die Bedrohung aus einer als lebensbedrohlich wahrgenommenen Situation oder mehrerer solcher Situationen bestand. In der Situation ging es um Tod, drohenden Tod oder eine Verletzung, es bestand Gefahr für die körperliche Unversehrtheit – und zwar für sich oder aber auch für Andere.

Die unmittelbare Reaktion auf das Ereignis beinhaltet: intensive Furcht und Entsetzen und das Gefühl von Hilflosigkeit.

Die Kriterien sind also: Intensität, Dauer, Frequenz und subjektive Bedeutung.

Man unterscheidet weiters zwischen einem Stresstrauma ( Typ I Trauma ), wobei der Stressor in einem meist einmaligen, plötzlichen, unkontrollierbaren, oft mit Todesangst erlebten Ereignis im Erwachsenenalter besteht.

Ein Entwicklungstrauma ( Typ II Trauma ) liegt vor, wenn der Stressor in wiederholten, verschiedenen Einzelereignissen besteht. Der Verlauf und der Ausgang ist nicht vorhersehbar, erstreckt sich meist über eine längere Dauer, der Beginn liegt meist im Kindesalter.

Eine weitere und sehr wesentliche Unterscheidung für die Auswirkungen und die Behandlung ergibt sich daraus, ob das Trauma durch einen Unfall oder ein Unglück (z.B. Naturkatastrophe) hervorgerufen wurde, oder ob das traumatische Erleben durch einen Menschen verursacht oder zugefügt wurde, sogenannte `man – made desaster´.

Gerade in dieser Kategorie (man-made) wird sehr deutlich, dass die körperlichen und emotionalen Reaktionen von Betroffenen beispielsweise auf Gewalt, Verfolgung und Folter im Einklang mit unseren physiologischen Möglichkeiten und Ausstattungen verlaufen, also im Grunde so vorgesehen sind. Schmerz und Angst bewirken natürliche Abwehrreaktionen.  Aber zusätzlich zu diesem Erleben erfahren die Betroffenen zumeist eine tiefe und auch dauerhafte Erschütterung ihres Weltbildes.

Hier ist jeweils zu überlegen und zu klären, ob die Traumatisierung und die Traumafolgen durch das Ereignis an sich verursacht wurden, oder durch die Art und Weise und vor Allem – durch wen – das Ereignis verursacht wurde.

Das Erleiden eines Traumas bedeutet jedoch nicht, dass eine Betroffene automatisch eine PTBS entwickeln müsste!

Daher ergibt sich die Frage: wie kommt es, dass verschiedene Menschen auf Belastungen stärker oder auch weniger stark reagieren als andere?

Im Wesentlichen hängt das von zwei Komponenten ab, nämlich von der Vulnerabilität und den Resilienzen.

Vulnerabilität bedeutet Verletzlichkeit und ist von Faktoren abhängig wie Alter, Geschlecht, Sozialisierung, der Art der Belastung, Vorerfahrungen und Ähnlichem.

Resilienz hingegen umschreibt die Fähigkeiten, sich trotz gravierender Belastungen oder widriger Lebensumstände psychisch gesund zu entwickeln und sogar noch stärker zu werden.

Vulnerabilitäten und Resilienzen befinden sich also in einem jeweils kontextabhängigem Wechselspiel.

Diagnostik:

Die bisherige Definition der PTBS im ICD – 10, F 43.1 wird durch die neue Version ICD – 11 in einigen Punkten erweitert:

Stresstrauma: der Stressor ist ein extrem bedrohliches oder entsetzliches Ereignis oder eine Reihe von Ereignissen

Entwicklungstrauma: der Stressor ist ein extrem bedrohliches oder entsetzliches Ereignis oder eine Reihe von Ereignissen, meistens längerdauernde oder wiederholte Ereignisse, bei denen Flucht schwierig oder unmöglich war (z.B. Folter, Sklaverei, Genozidversuche, längerdauernde häusliche Gewalt, wiederholter sexueller oder körperlicher Kindesmißbrauch)

Ein neuer Aspekt ist, dass auch Menschen, die nicht unmittelbar selbst bedroht worden sind, auch posttraumatische Störungen erleiden können (Polizisten, Rettungskräfte, Zugführer u.a.)

Die bisher bestehenden weiteren Hauptkriterien der posttraumatischen Belastungsstörung ICD – 10, F 43.1 sind im Wesentlichen unverändert geblieben. Wiedererleben, Vermeiden und erhöhte Wachsamkeit müssen weiterhin für die Diagnose der PTBS erfüllt sein.

Im Einzelnen:

Wiedererleben des traumatischen Erlebnisses oder der traumatischen Erlebnisse in der Gegenwart in Form von lebhaften intrusiven Erinnerungen, Flashbacks, Albträumen, typischerweise verbunden mit starken und überflutenden Emotionen wie Angst oder Horror und starken körperlichen Empfindungen, oder Gefühlen von Überflutung oder Versunkensein mit den gleichen intensiven Emotionen wie während des traumatischen Ereignisses.

Vermeidung von Gedanken und Erinnerungen an das Ereignis, oder Vermeidung von Aktivitäten, Situationen oder Menschen in Verbindung mit dem Ereignis oder den Ereignissen.

Übererregung: Persistierende Wahrnehmung erhöhter gegenwärtiger Gefahr, zum Beispiel mit Hypervigilanz oder verstärkter Schreckhaftigkeit auf Reize wie unerwartete Geräusche.

Die Symptome müssen mindestens über mehrere Wochen auftreten und wesentliche Einbußen in verschiedenen Lebensbereichen beinhalten (persönlich, Familie, Soziales, Ausbildung, Arbeit, oder andere).

Zusätzlich zur PTBS wird im ICD – 11 die Komplexe Posttraumatische Belastungsstörung eingeführt. Hier wurde dem Umstand Rechnung getragen, dass es repetitive Gewalterfahrungen (z.B. organisierte sexualisierte Gewalt, Inzest über Jahre etc.) und deren besondere posttraumatische Folgen gibt. Wiederholte traumatische Erfahrungen verursachen besondere psychische Folgen.

Die Störung ist charakterisiert durch die Kernsymptome der PTBS, wie sie bisher beschrieben werden. Alle diagnostischen Bedingungen für eine PTBS waren im Verlauf der Störung einmal erfüllt.

Zusätzlich ist die kPTBS charakterisiert durch: schwere und tiefgreifende Probleme der Affektregulation, andauernde Ansichten über sich selbst als vermindert, unterlegen oder wertlos, verbunden mit schweren und tiefgreifenden Gefühlen von Scham, Schuld oder Versagen in Verbindung mit dem traumatischen Ereignis und andauernde Schwierigkeiten in tragenden Beziehungen oder im Gefühl der Nähe zu Anderen.

Ein Erlebnis, das tief verstörend ist, führt zu einer akuten Belastungsreaktion, natürlich auch mit körperlichen Symptomen, wie erhöhte Herzfrequenz, Schweißausbrüche, Zittern, Mundtrockenheit etc.

Psychische Symptome wie die genannten, die unmittelbar nach traumatischen Ereignissen auftreten, sind ebenfalls eine völlig normale Erscheinung, die bei den meisten Betroffenen im Laufe der Zeit aber abklingen.

Bleiben diese Symptome innerhalb von sechs Monaten nach dem Belastungsereignis allerdings bestehen, werden sie chronisch und beeinträchtigen die Alltagsfunktionsfähigkeit in erheblichem Maße.

Wenn diese beiden Kriterien nun zusammentreffen, also ein traumatisches Ereignis einerseits und die anhaltenden, beschriebenen Symptome andererseits, wird man die Diagnose einer posttraumatischen Belastungsstörung in Betracht ziehen.

Zusammenfassung:

Im Wesentlichen geht es bei der PTBS und der kPTBS also um folgende Kriterien:

Ein Trauma wurde erlebt (ausgelöst durch einen Stressor)

Das Gefühl von Hilflosigkeit wurde erlebt

Es gibt ein lebhaftes Wiedererinnern

Es zeigt sich psychische und physische Erregung

Es haben sich Vermeidungshandlungen etabliert

Der Faktor Zeit spielt eine Rolle

Abgrenzung der PTBS zu anderen Traumafolgestörungen ( ICD – 10 ):

Akute Belastungsstörung             F 43.0   

Anpassungsstörungen     F 43.2

Persönlichkeitsveränderung nach Extrembelastung          F 62.0   

Weitere, häufige andere Probleme bei PTBS sind: Depressionen, andere Angststörungen, Partnerschaftsprobleme, sexuelle Funktionsstörungen, Substanzmissbrauch, körperliche Beschwerden / Somatisierungsstörungen.

Mögliche Erklärungsmodelle einer PTBS:

Wie können wir verstehen, dass ein Ereignis oder eine Reihe von Ereignissen, ein Leben so nachhaltig verändern?  Die Art und Weise, wie wir in der Psychotherapie über ein Problem in unserem sozio – kulturellem Umfeld nachdenken und es definieren, hat natürlich Auswirkungen darauf, wie wir das Problem bewältigen wollen.

Die eigentliche Arbeitsgrundlage mit den Betroffenen besteht aber darin zu erkunden, wie sich die PatientInnen selbst die Ursachen ihrer Schwierigkeiten erklären.

Zwei – Faktoren – Theorie, Mowrer 1960

Die PTBS wird den Angststörungen zugerechnet. Nach der Theorie von Mowrer repräsentiert der erste Faktor die klassische Konditionierung: ein zunächst neutraler Reiz (beliebig) wird durch das zeitliche und räumliche Nahverhältnis zum Traumageschehen mit einem Aspekt der traumatisierenden Situation assoziiert.

Dies kann im ungünstigsten Fall zu einer Generalisierung der Reaktion auf verschiedene Reize führen, die mit der Traumatisierung gekoppelt waren oder assoziiert wurden (klassische Konditionierung).

Der zweite Faktor besteht in der operanten Konditionierung: die Vermeidung von angstauslösenden Reizen führt zur sogenannten negativen Verstärkung, da ein negativer Zustand unterbrochen wird. Durch die Vermeidung `fühlt es sich leichter an´. Eine sogenannte ` Löschung ´ der Konditionierung wird dadurch unwahrscheinlich.

Der hohe Leidensdruck entsteht also in dem Spannungsfeld zwischen dem lebhaftem Wiedererleben einerseits und den verzweifelten Versuchen andererseits, diese Intrusionen zu vermeiden!

Für die Behandlung von Angsterkrankungen ist diese Theorie sehr hilfreich, denn sie ist sehr einfach und eindrücklich Bei einer PTBS finden wir allerdings höchst komplexe Wiedererlebensphänomene, die mit dieser Theorie alleine nicht erklärbar werden.

Ein Phänomen der PTBS besteht beispielswiese in einem verstärkten Auftreten von bedrohlichen intrusiven Erinnerungen, gleichzeitig zeigen sich aber oft auch Teil – Amnesien in Bezug auf die traumatischen Ereignisse bzw. deren Chronologie.

Dies lässt darauf schließen, dass unser Gedächtnis und die Art der Verarbeitung von Erlebnissen in unserem Gedächtnis einen sehr großen Einfluss auf die Entwicklung einer PTBS haben.

Trauma und Hirnfunktionen

In lebensbedrohlichen Situationen haben wir `stammesgeschichtlich´ prinzipiell zwei Möglichkeiten, um die Gefahr zu bewältigen: fliehen oder kämpfen. Wenn beides nicht möglich ist (oder scheint), wird eine Art Totstell – Reflex ausgelöst.

In diesem Zustand werden die Prozesse auf ein basales Verarbeitungs – Niveau reduziert, die Wahrnehmungen gelangen vom Hirnstamm in das limbische System, Stresshormone werden freigesetzt aber eine Weiterleitung an höhere Gehirnregionen (Großhirn) wird weitgehend unterbrochen.

Ein Analysieren, Ordnen, Verknüpfen mit bisher Erlebtem oder Bekanntem kann nicht stattfinden. Es ist keine Logik ableitbar, selbst das Sprachzentrum wird teilweise blockiert.

Daraus erklärt sich, dass viele Betroffene das, was sie erlebt haben, nicht in Worte fassen können und oftmals auch Gedächtnislücken hinsichtlich der Chronologie der Geschehnisse aufweisen. Einer sprachlichen Auseinandersetzung mit dem Erlebten sind daher bereits auf neurobiologischer Ebene Hindernisse in den Weg gelegt. In einer therapeutischen Beziehung gemeinsam Worte oder auch Symbole zu finden kann also schon ein erster, wichtiger Schritt sein.

Ein guter weiterer Schritt wäre es, wenn es den PatientInnen wieder gelingt, voll und ganz und vor Allem sicher in der Gegenwart zu leben. Damit dies gelingen kann, ist es notwendig, die Gehirnstrukturen, die während eines traumatischen Erlebnisses `abgeschaltet´ waren, zu reaktivieren.

Mit einem psychischen Trauma ist unser Gehirn überfordert. Die Ereignisse können nicht geordnet verarbeitet und gespeichert werden, sondern werden ungeordnet in verschiedenen Regionen unseres Gehirns zwischengelagert.

Die unvollständige Verarbeitung der traumatischen Erlebnisse hat nachhaltige Konsequenzen für die Betroffenen – unverarbeitete Traumatisierungen führen zum Wiedererleben von starken Emotionen und Körperempfindungen, welche – ausgelöst durch `Trigger´ – den Eindruck vermitteln, dass das Trauma nochmal im `hier und jetzt´ stattfindet.

Versteht man die beim Trauma ablaufenden Prozesse im Gehirn, so werden auch die Symptome der PTBS verständlicher. Wahrscheinlich sind sie deswegen zwar nicht weniger belastend aber vielleicht etwas besser anzunehmen.

Für die Verarbeitung des Traumas ist es also notwendig, dass das traumatische Ereignis in einen Gesamtzusammenhang gebracht und in die eigene Biografie eingeordnet werden kann.

Dissoziationen als Folge einer Traumatisierung

Um erklären zu können, worum es sich bei dissoziativen Phänomenen handelt, müssen wir uns zunächst mit dem Begriff der Integration befassen: in unserem Kontext kann man die Integration als Vereinheitlichung all unserer Persönlichkeitsaspekte zu einem Ganzen verstehen, das auf kohärente Weise funktioniert.

Wir haben die natürliche Tendenz und auch die Fähigkeit, unsere Erfahrungen zu einer zusammenhängenden, vollständigen Lebensgeschichte zu integrieren und ein stabiles Gefühl unseres Selbst zu entwickeln. Diese Fähigkeit hilft uns dabei, die Gegenwart von der Vergangenheit zu unterscheiden und ermöglicht uns auch, in der Gegenwart verankert zu bleiben, selbst wenn wir an die Vergangenheit zurückdenken oder an die Zukunft denken.

Selbst- Gefühl

Je sicherer und zuverlässiger die emotionale und äußere Umwelt ist, desto besser kann sich diese Integrationsfähigkeit entwickeln. Wir lernen also nach und nach, unsere Lebenserfahrungen mit unserem Selbstgefühl in Verbindung zu bringen. Mit anderen Worten: wir gewinnen eine Vorstellung von dem wer wir sind, und können unsere Erfahrungen als integralen Bestandteil unserer Biographie in unsere Lebensgeschichte einfügen. Letztlich ist das Selbstgefühl Teil der Persönlichkeit und bleibt in unterschiedlichsten Situationen erhalten: ich bin ich, und all meine Gedanken, Gefühle, Verhaltensweisen, Empfindungen und Erinnerungen gehören zu mir.

Dissoziation

Wie wir bereits gehört haben, können traumatische Erlebnisse oft nicht in unserem chronologischen Gedächtnis verarbeitet werden. Dissoziationen resultieren aus einer schweren Störung der Integrationsfähigkeit, die letztlich unsere Persönlichkeit in Mitleidenschaft zieht und auch verändert.

Beispielsweise können Traumatisierungen im Kindesalter die Fähigkeit, Erfahrungen zu einer kohärenten, in sich stimmigen Lebensgeschichte zu integrieren, drastisch herabsetzen, denn in den ersten Lebensjahren ist diese Integrationsfähigkeit noch wesentlich begrenzter und noch nicht ausgereift.

Dissoziation kann man so erklären, als ob wir eine Erfahrung als eigene Erfahrung anerkennen und gleichzeitig auch nicht. Erinnerungen, Gedanken, Gefühle etc. werden als fremd und untypisch erlebt, also als etwas, was gar nicht zu der eigenen Persönlichkeit gehört. Als Folge fühlen sich Menschen mit einer dissoziativen Störung nicht in sich integriert sondern fragmentiert.

Dissoziierte Persönlichkeitsanteile

Abgespaltene Selbstgefühle und Reaktionsmuster werden also als dissoziierte Persönlichkeitsanteile bezeichnet. So kann z.B. eine Person, die an einer dissoziativen Störung leidet, den Eindruck haben, dass bestimmte qualvolle Erinnerungen nicht die eigenen seien. Diese fehlende Realisation, dieses `Nicht-Ich´- Erleben, ist das eigentliche Charakteristikum dissoziativer Störungen.

Dissoziation als Möglichkeit, bedrohliche Situationen zu überstehen

Folteropfer berichten oft, dass sie das Gefühl hatten, ihren Körper verlassen zu haben und sich selbst von Außen beobachtet hätten. Abspaltungen in schweren psychischen und physischen Momenten erfüllen also auch einen durchaus sinnvollen Zweck. Problematisch wird es natürlich, wenn ein Anteil der Persönlichkeit in jener Situation `steckenbleibt´, der Anteil in der Traumazeit lebt und immer wieder durch Trigger aktiviert wird.

Mögliche Ausformungen:

Voraussetzung für das Feststellen einer dissoziativen Störung ist, dass keine körperliche Krankheit nachgewiesen werden kann, welche die Symptome erklärt.

Dissoziative Amnesie

Bei der dissoziativen Amnesie fehlen der betreffenden Person ganz oder teilweise Erinnerungen an ihre Vergangenheit, vor allem an belastende oder traumatische Ereignisse. Die Amnesie geht weit über das Maß der normalen Vergesslichkeit hinaus, d. h. dauert länger an oder ist stärker ausgeprägt.

Es können sich auch Erinnerungen vermischen und dadurch verfälscht werden. Der Betroffene kann dann nicht unterscheiden, ob Erinnerungen wahr sind oder nicht.

Dissoziative Fugue

Unter einer dissoziativen Fugue wird das unerwartete Weggehen von der gewohnten Umgebung verstanden. Die Reise ist äußerlich normal organisiert, die Selbstversorgung bleibt weitgehend erhalten. Gelegentlich besteht Verwirrung über die eigene Identität oder eine andere Identität wird angenommen. Wenn dies der Fall ist, dann ist die neue Identität meist durch mehr Geselligkeit und weniger Zurückhaltung gekennzeichnet. Die Dauer kann einige Stunden bis hin zu mehreren Tagen betragen.

Dissoziativer Stupor

Beim dissoziativen Stupor sind willkürliche Bewegungen, Sprache sowie die normale Reaktion auf Licht, Geräusche und Berührung vermindert oder fehlen ganz. Die normale Muskelspannung, aufrechte Körperhaltung und Atmung sind jedoch erhalten, die Koordination der Augenbewegungen ist häufig eingeschränkt.

Zeitverzerrungen

Die Betroffenen haben das Gefühl, dass die Zeit viel zu langsam oder viel zu schnell vergeht. Manche Persönlichkeitsanteile sind desorientiert und können nicht angeben, wo sie sich räumlich, zeitlich befinden, bzw. glauben, sie befänden sich noch in der Vergangenheit.

Dissoziative Bewegungsstörungen

Bei dissoziativen Bewegungsstörungen kommt es entweder zu einem Verlust oder einer Einschränkung der Bewegungsfähigkeit oder der Sprache, zu Koordinationsstörungen, Ataxie oder der Unfähigkeit, ohne Hilfe zu stehen.

Dissoziative Krampfanfälle

Bei dissoziativen Krampfanfällen kommt es zu plötzlichen und unerwarteten krampfartigen Bewegungen, die einem epileptischen Anfall ähnlich sein können. Es kommt allerdings nicht zum Bewusstseinsverlust. Stattdessen ist jedoch ein stupor- oder tranceähnlicher Zustand möglich.

Dissoziative Sensibilitäts – und Empfindungsstörungen

Bei den dissoziativen Sensibilitäts- und Empfindungsstörungen liegt ein teilweiser oder vollständiger Verlust der normalen Hautempfindungen (ein Körperteil oder am ganzen Körper) oder des Seh-, Hör- oder Riechvermögens vor.

Dissoziative Identitätsstörung

Es sind zwei oder mehrere getrennte Identitäten oder Persönlichkeitszustände vorhanden, die im Wechsel das Verhalten desselben Menschen bestimmen. Abzugrenzen ist diese Störung von psychotischen Erkrankungen, wie beispielsweise einer Schizophrenie.

Depersonalisation

Hierbei handelt es sich um eine Veränderung der Selbstwahrnehmung: die Person fühlt sich fremd im eigenen Körper – sie beobachtet sich von außen. Dabei reagieren die Personen völlig angemessen auf ihre Umwelt.

Derealisation

Dabei wird durch ein Gefühl der Unwirklichkeit die Umwelt als fremd oder verändert wahrgenommen. Sowohl Depersonalisation als auch Derealisation sind selten isoliert. Meist treten sie als ein Symptom anderer Störungen auf, z. B. im Zusammenhang von Panikattacken.

Fremdheits – und Unwirklichkeitssymptome sind manchmal an Persönlichkeitsanteile gekoppelt, die in einer Zeit der Traumatisierung leben, das heißt, sie können zwischen Vergangenheit und Gegenwart nicht unterscheiden und können sich selbst und die Umwelt daher nicht als vertraut empfinden.

Durch Traumata verletzte Grundannahmen

Unsere Grundannahmen sind die Summe unseres bewußten und unbewußten `Wissens´ über die Welt, d.h. unsere Grundannahmen formulieren das Bild, das wir von der Welt haben, und sie bestimmen unser Denken, Fühlen und Handeln. Naturgemäß ist dieses Wissen sehr individuell und kann aus ganz unterschiedlichen Quellen gespeist werden: der Philosophie, der Psychologie, der Soziologie, der Empirie (Bindungstheorien, Erziehung, Rollen – Modelle) und natürlich der Religion etc. Wiewohl Grundannahmen eine sehr persönliche Konstruktion sind, gibt es aber über alle Kulturkreise hinweg gewisse Schnittmengen.

Man kann sich daher den Auswirkungen von Traumata im ersten Schritt gut annähern, wenn man sich verdeutlicht, dass fast jede traumatische Erfahrung unsere Grundannahmen tief verletzt, deren Gültigkeit wir alle als selbstverständlich voraussetzen. Mit diesen impliziten (automatisch ablaufenden) Grundannahmen konnten wir uns durch den Alltag bewegen, ohne jede Situation neu bewerten zu müssen. Doch durch ein Trauma kann unser Weltbild zutiefst und nachhaltig erschüttert werden.

Erschütterte Grundannahmen könnten beispielsweise sein:

Der Glaube an die eigene Unantastbarkeit

Die Welt hat eine verstehbare Ordnung (Kontrolle, Vorhersehbarkeit)

Ich bin als Mensch wertvoll

Ich habe ein Recht auf körperliche Unversehrtheit

Ich kann anderen Menschen vertrauen

Wenn ich mich an Regeln halte, kann mir nichts passieren, ich bin zugehörig

Ich kann im Wesentlichen mein Leben selbst bestimmen

Der Grad der Erschütterung  kann unterschiedlich stark sein, wie bei Naturkatastrophe oder beispielsweise bei einem Unfall. Ein von einem Menschen verursachtes Trauma, wie ein Überfall oder eine Körperverletzung oder eine Mißhandlung wird sich eher stärker auswirken.

Am allerschwersten wirkt sich natürlich ein aggressiver, persönlicher körperlicher Übergriff aus, wenn der Täter ein Partner, ein naher Verwandter oder gar ein Elternteil ist, also jemand, von dem ein Kind oder auch ein Erwachsener Zuwendung und Schutz erwarten dürfte.

Kognitionen / Emotionen / Interpretationen

Große Bedeutung kommt in vielen Modellen natürlich auch der kognitiven Verarbeitung der Traumaerlebnisse und in Folge deren Interpretation zu.

Beispielsweise ein `Sich-Aufgeben´ während einer sexuellen Gewalttat oder einer Folter oder politischen Inhaftierung beschreibt den wahrgenommenen Verlust jeglicher Autonomie, oft verbunden mit dem Gefühl, kein menschliches Wesen mehr zu sein. Personen, die sich in der Form aufgegeben haben, interpretieren häufig das Trauma als Beleg der negativen Sicht ihrer eigenen Person, dass sie wertlos seien und einen dauerhaften Schaden erlitten haben.

Auf der kognitiven Ebene finden sich als Folge dysfunktionale Schlussfolgerungen, wie z.B:

Ich bin selbst daran schuld

Ich habe es vermutlich verdient

Ich hätte es verhindern können

Ich hätte mich anders verhalten können / sollen

Das Trauma hat mich für immer verändert

Ich werde mich nie wieder Anderen nahe fühlen können

Wenn ich über das Trauma spreche, werde ich zusammenbrechen etc.

Emotionen:

Ebenso bedeutsam sind natürlich die Emotionen, die bei den Betroffenen auftauchen, wenn sie an das Erlebnis zurückdenken.

Die Momente, die bei den Erinnerungen die stärksten Gefühle auslösen (`hot spots´) sollten genau erfragt werden, um ihre individuelle Bedeutung zu erfassen. Das gleiche gilt natürlich für Bilder, die immer wieder auftauchen.

Die Art der vorherrschenden Emotionen (wie z.B.Schuldgefühle, Ärger, Scham, Trauer oder Furcht) liefert Hinweise auf die zugrundeliegenden Interpretationen.

Emotion / mögliche dysfunktionale Interpretation

Schuld – ich bin für das Ereignis oder seinen Ausgang selbst verantwortlich

Ärger – es ist mir eine Ungerechtigkeit widerfahren, andere haben nachhaltig meine Sphäre verletzt

Scham – ich habe Regeln durch mein eigenes Verhalten verletzt

Trauer – ich habe etwas Bedeutsames unwiederbringlich verloren

Furcht – Übergeneralisierungen von Gefahr

Ekel – Ekelgefühle werden definiert als Abscheu bei Erwartung eines direkten Kontaktes mit einem als stark abstoßend erlebten Objektes

V.9.2. Praktischer Teil

Grundsätzliches zur Therapie einer PTBS

Günstig für den Verlauf einer PTBS  ist eine zeitnahe und umfassende Behandlung in einer Psychotherapie. In aller Regel kann eine solche Therapie ambulant, gegebenenfalls mit medikamentöser Unterstützung, erfolgen. Ein Klinikaufenthalt kann notwendig werden, wenn die Patientin beispielsweise unter schweren Depressionen leidet, eine akute psychotische Störung oder akute Suizidgefahr besteht.

Wichtig bei der Annamnese: eine Traumatherapie kann sinnvollerweise nur dann stattfinden, wenn die / der Betroffene keiner aktuellen Gefahr mehr ausgesetzt ist und auch emotional stabil genug ist, um sich mit den Themen auseinander zu setzen.

Die Rahmenbedingungen einer Therapie erfordern also: Geborgenheit, Sicherheit und Vertrauen. Die stärksten Wirkfaktoren sind: Beziehung und Zeit.

Ziel einer traumafokussierten Psychotherapie ist es, die Betroffenen dabei zu unterstützen:

Die Kontrolle über ungewollt auftretende Erinnerungen (wieder-) zu erlangen,

Begleitsymptome wie Angst, Depressivität, Schlafprobleme, Aggressionen, Suchtverhalten, Konzentrationsprobleme etc. abzubauen,

die traumatisierenden Ereignisse in das chronologische Gedächtnis und somit als einen Teil der eigenen Lebensgeschichte zu integrieren.

Am Anfang steht eine ausführliche Erklärung über das Störungsbild, seine Entstehung und die Auswirkungen. Danach wird mit dem Patienten ein geeignetes Therapiekonzept erarbeitet und vorausgesetzt, der Patient ist gefestigt genug, wird er sich – gemeinsam mit der Therapeutin – Schritt für Schritt mit seinen traumatischen Erlebnissen und den damit verbundenen Erinnerungen auseinandersetzen.

Man kann vier Schritte beschreiben:

Anamnese, Diagnose, Psychoedukation, Beziehungsaufbau: hier geht es darum, dem Patienten zu vermitteln, dass die Therapeutin die Schilderungen der traumatische Erfahrung aushalten kann und dass sie ihn mit ihrer beruhigenden und kompetenten Gegenwart in und aus dieser Situation begleiten kann, also beruhigenden Halt geben kann. ( Zarbock 2019 )

Stabilisierung: dazu gehört nicht nur die Gewährleistung einer sicheren Umgebung in der Praxis / Institution, sondern auch die Abklärung, ob noch aktuelle Gefährdungen bestehen, sowie die Bearbeitung eventuell bestehender Komorbiditäten wie beispielsweise Ängste und Depressionen mit Hilfe entsprechender störungsspezifischer Strategien.

Traumabearbeitung: hier gibt es verschiedene Aspekte. Die Arbeit an den Traumafolgestörungen einerseits und die direkte Arbeit am Trauma im Sinne einer Exposition andererseits. Wenn der Patient merklich instabil ist oder sich in einer besonders schwierigen psychosozialen Situation befindet, ist eine direkte Bearbeitung des Traumas nicht angezeigt. Aber die Patienten haben aber oft eine sehr klare Vorstellung davon, ob sie sich mit den Erlebnissen konfrontieren wollen, oder nicht.

Das Ziel in der Arbeit besteht also letztlich in dem Brückenschlag des Erlebens von Kontrollverlust hin zu einer neuen Kontrollerfahrung. Die Bewältigungskompetenz des Patienten muss daher immer stärker sein, als die Intensität des in Konfrontation evozierten Trauma(wieder)erlebens.

Wenn es in einem ersten Schritt also gelingt, dass der Patient wieder ein stabiles Selbstwertgefühl und eine gute Impulskontrolle entwickeln kann, die Traumafolgestörungen wieder in den Hintergrund treten, kann man dann die weiteren Schritte überlegen.

Die Traumakonfrontation sollte jedenfalls immer mit Bewältigungserfahrungen verknüpft sein. Dazu gehört natürlich auch das Erlernen von Strategien, um eventuellen Rückfällen vorbeugen zu können.

Integration kann in unserem Kontext mehrere Bedeutungen haben: Integration ist im Idealfall die Eingliederung der Erlebnisse und deren Folgen in die eigene Lebensgeschichte, die auch Trauer und vielleicht Versöhnung mit sich selbst und Anderen bringt.  Jedenfalls ist Integration Neuorientierung in dem Sinne, dass verletzte Grundannahmen und daraus resultierende dysfunktionale Verhaltensweisen überwunden werden können und der Patient wieder Vertrauen in das eigene Selbst, in seine Beziehungen und in sein Weltbild gewinnen kann.

Natürlich gilt, dass es nicht `die eine´, immer wirkungsvolle Therapiemethode gibt, die stets anzuwenden wäre, sondern die jeweilige Methode soll nach den immer sehr individuellen Bedürfnissen und auch oft unterschiedlichen Zugängen der Betroffenen abgestimmt werden.

Patientinnen haben sehr unterschiedliche Erklärungsmodelle, worin ihre Schwierigkeiten begründet sind, wodurch sie verursacht werden / wurden und wie sie zu lindern wären.  Dem ist in der gemeinsamen Therapieplanung natürlich immer Rechnung zu tagen.

Methodik

Stabilisierung

Zu Bginn der Traumatherapie geht es, wie eingangs bemerkt, um Beziehungsaufbau, Anamnese und Diagnostik sowie Psychoedukation hinsichtlich der Symptom – Entstehung. In Folge geht es um das Erlernen und Einüben von Stress – Coping Strategien, die Abklärung / Entwicklung von inneren und äußeren Ressourcen. Wichtig ist ebenso die medizinische und soziale Stabilisierung.

Als Stabilisierungstechniken kommen imaginative, kognitive und affektmodulierende Interventionen in Frage, diese sind in der Literatur ausführlich beschrieben.

Günstig ist es, bereits in diese Phase bewährte Modelle wie beispielsweise einen ` Sicheren Ort ´, einen `Heilenden Ort´ ( wenn die Patientin den Eindruck hat, sie könne nirgendwo sicher sein – Robin Shapiro, Ego-State Interventionen, Probst Verlag, 2017, Seiten 52ff.) einzuführen, sowie körperorientierte Entspannungsmethoden, beispielsweise `PMR´ nach Jacobson oder Entspannungsmethoden nach P.Levine oder Jon Kabat-Zinn. Auch hier gibt es zahlreiche Literatur.

Für die Linderung der Traumafolgestörung `Übererregung´ sind diese Interventionen sehr hilfreich.

Für die Arbeit an der Traumafolgestörung `Vermeidung ´ eignen sich (natürlich je nachdem, was vermieden wird) alle verhaltenstherapeutischen Expositionsmethoden.

Traumabearbeitung

Die im Folgenden beschriebenen Therapiemethoden sind natürlich sehr komplex, aber können in diesem Rahmen nur kompakt dargestellt werden. Jedenfalls empfiehlt sich daher eine weitere Vertiefung durch entsprechende Literatur und einschlägige Fortbildungen.

Die kognitive Be – und Verarbeitung von dysfunktionalen Interpretationen nach Traumaerfahrungen und deren Folgen ist ein Kernstück verhaltenstherapeutischer Traumatherapie.

  1. Die kognitive Umstrukturierung

Modell von Ehlers und Clark, 1999

Das generelle Vorgehen bei der `kognitiven Umstrukturierung´.

Vorerst wird besprochen, wie der Patient das Trauma und dessen Konsequenzen interpretiert. Zur Erinnerung: in Frage kommen Schuld, Scham, Ärger, Trauer, Furcht.

Ziel ist es also zunächst, eine Verbindung zwischen diesen Gedanken, Gefühlen und den Symptomen herzustellen, die der Patient erlebt. Als Folge ergibt sich die Notwendigkeit, über diese Gedanken bzw. Interpretationen zu sprechen und zu überprüfen, inwieweit sie eine realistische Einschätzung der Welt oder der eigenen Person darstellen. Mögliche `Denkfehler´ sollen korrigiert werden.

Als Methoden in Frage kommen: Plausibilitätsüberprüfungen, ein `zu Ende denken´ von Situationen, sokratischer Dialog, etc.

Wichtig ist, immer wieder darauf hinzuweisen, dass solche negativen Gedanken und Einschätzungen völlig normale Reaktionen auf eine abnormale Situation sind.

PatientIn und TherapeutIn arbeiten gemeinsam daran, die Interpretationen und Überzeugungen der PatienIn auf ihre Übereinstimmung mit der Realität zu überprüfen. Dabei lernt der Patient, seine Gedanken und seine Interpretationen zu identifizieren und auf ihren Realitätsgehalt zu hinterfragen, also nicht mehr automatisch als wahr zu betrachten, mit den Zielen:

die problematischen Interpretationen des Traumas und / oder seiner Konsequenzen, die das Gefühl einer aktuellen Bedrohung oder eine Selbstabwertung hervorrufen, sollten verändert werden,

das Traumaerleben sollte gut elaboriert und in einem zeitlichen Ablauf eingeordnet werden, um das intrusive Wiedererleben zu verringern,

die Betroffenen sollten letztlich die dysfunktionalen Strategien erkennen und aufgeben, mit denen sie die wahrgenommene aktuelle Bedrohung und die PTBS – Symptome zu kontrollieren versuchen.

Die Therapie zielt also letztlich darauf ab, die Teilaspekte des Traumas und die Traumafolgen hinsichtlich ihrer Interpretationen und Bedeutungsgebung kognitiv neu zu strukturieren

Beispiel: Manche Opfer einer Gewalthandlung haben das Gefühl, sie hätten sich nicht ausreichend gewehrt. Hier könnte daran gearbeitet werden, ob eine stärkere Abwehr nicht auch eine noch gefährlichere Bedrohung nach sich gezogen hätte.

Viele dieser dysfunktionalen Denkmuster beruhen darauf, dass in heutiger Betrachtung das Ergebnis des Ereignisses abgeschlossen und bekannt ist. Zum Zeitpunkt selbst war der Ausgang aber natürlich nicht absehbar.

Die Schritte:

Identifizierung und Bearbeitung von Schuldkognitionen der (mitunter lückenhaften) Erinnerungen mit folgenden therapeutischen Aspekten:

Bearbeitung der Momente, die schuldhaft verarbeitet werden,

die Modifikation der Schuld im Sinne einer Relativierung des eigenen Anteils an dem traumatischen Erlebnis und dessen Ergebnis,

eine Neuformulierung des `eigenen´ Anteils.

Schuldkognitionen können beispielsweise entstehen durch:

vermutete eigenen Normverletzungen

subjektiv wahrgenommene / überbewertete eigene Verantwortung

fehlende Rechtfertigung für das eigene Handeln

Fehlinterpretation der Vorhersagbarkeit / Vermeidbarkeit = hind-sight bias

`Hind – Sight Bias´ umschreibt die Tatsache, dass das Wissen über den Ausgang eines Ereignisses die Erinnerung an dieses Ereignis beeinflusst, wobei die Wissenslage vor dem Ereignis verzerrt wahrgenommen wird und wir den Eindruck gewinnen, dass es nicht anders hätte passieren können. Dadurch kommt es zu Schlussfolgerungen wie: `ich hätte wissen müssen/können, dass es schrecklich ausgeht und ich hätte es verhindern müssen/können.´

Typische `Denkfehler´ bei Schuldgefühlen sind also:

Interpretation im Nachhinein

übertriebene Wahrnehmung der eigenen Verantwortung

übertriebenes Verantwortungsgefühl für Handlungen anderer

Doppelstandards

Überzeugung, das eigene Verhalten sei nicht gerechtfertigt gewesen

emotionale Schlussfolgerung: ich fühle mich schuldig, also bin ich es auch

Mögliche therapeutische Fragen bei Schuldgefühlen

Gibt es auch noch andere Erklärungen, war noch jemand beteiligt?

Wie viel Einfluss hatten Sie tatsächlich darauf, was damals passiert ist?

Wie erschienen Ihnen die Dinge / die Situation damals?

Was war damals der Grund, sich so zu verhalten?

Wie genau hätten Sie wissen können, was passieren würde?

Wie viel Zeit hatten Sie zu entscheiden, wie Sie sich am besten verhalten sollten?

In welchem körperlichen und seelischen Zustand befanden Sie sich damals?

Hilfreiche Fragen für Opfer, die bereits in der Kindheit traumatisiert worden sind

Wie kam Ihnen das Verhalten der Erwachsenen vor?

Wussten Sie, dass es Unrecht ist?

Wenn ein Vorfall vorbei war, hatten Sie die Möglichkeit, sich vor weiteren Übergriffen zu schützen?

Wussten Sie in der Zeit, in der Sie in Sicherheit waren, überhaupt noch von den Übergriffen (Dissoziation!)?

Hatten Sie jemanden, dem Sie sich hätten anvertrauen können?

Was wollten Sie damals als Kind?

Was war Ihnen damals wichtig?

Wer trägt die Verantwortung dafür, wie der Kontakt zwischen einem Kind und einem Erwachsenen zu gestalten ist?

Sind Kinder für die Handlungen ihrer Bezugspersonen verantwortlich?

Wer hat wen verraten?

Literatur: Anke Ehlers, Posttraumatische Belastungsstörung, Hogrefe, 1999

Traumabearbeitung

  • Prolongierte Exposition PE

Modell von Edna Foa und M.J.Kozak

Die prolongierte Exposition soll Betroffenen ermöglichen, ihre traumatischen Erlebnisse emotional zu verarbeiten. Der Name prolongierte Exposition leitet sich zum einen von der langen Tradition der Expositionstheorien zur Behandlung von Angststörungen ab. Sie sollen Klienten dabei helfen, sich mit für sie normalerweise angsterregenden Situationen in einem ungefährlichen Zusammenhang zu konfrontieren, um so ihre starke Angst davor zu verringern.

Zum anderen wurzelt die PE in der Theorie der notwendigen emotionalen Verarbeitung von Geschehnissen, da, wie besprochen, eine spezielle Verarbeitung und Einarbeitung der traumatischen Ereignisse im chronologischen Gedächtnis erforderlich ist.

Der Emotional – Processing – Theorie liegt zugrunde, dass Furcht im Gedächtnis als `Programm´ repräsentiert ist, welches im Falle einer Gefahr ein Entkommen ermöglicht. Dieses Programm enthält Informationen darüber, wovor wir Angst haben – Furchtreize (z.B. ein wildes Tier), Furchtreaktionen (z.B. erhöhter Herzschlag), sowie die mit diesen Reizen assoziierte Bedeutung (wilde Tiere sind gefährlich) und letztlich die entsprechenden Reaktionen (Kampf, Flucht, Totstellen).

All diese Vorgänge sind (über -) lebensnotwendig und daher in höchstem Maße sinnvoll und hilfreich!

Diese Furchtstruktur wird allerdings zum Problem, wenn:

+             die in der Struktur enthaltenen Informationen die reale Welt nicht adäquat repräsentieren,

+             durch eigentlich harmlose Reize förperliche Reaktionen, Fluchttendenzen und Vermeidungshandlungen aktiviert werden,

+             Furchtreaktionen die Alltagstauglichkeit behindern,

+             harmlose Reize und Reaktionen als gefährlich erlebt werden,

+             Vermeidungshandlungen die Betroffenen einschränken

Nach Foa und Kozak müssen allerdings zwei Voraussetzungen erfüllt sein, damit sich eine unrealistische und abnorme Furchtstruktur verändern kann:

Erstens: Die Furcht und die Angst der betroffenen Person muss aktiviert werden. Dies ist unabdingbar, weil andernfalls eine Veränderung der Furchtstruktur nicht möglich ist

Zweitens: Die ursprünglich unrealistischen Informationen müssen durch realistische Informationen ersetzt werden. Diese neuen Informationen werden während der Expositionssitzungen übermittelt, die Furchtstruktur kann sich verändern.

Expositionstherapien erfüllen beide dieser Voraussetzungen.

Das PE – Behandlungsprogramm umfasst also folgende Aspekte:

+             Umfassende Psychoedukation über häufig vorkommende Trauma–Reaktionen

+             Atemtraining, bzw. Übungen, die beruhigen

+             Wiederholte In-vivo-Expositionen (reale Expositionen) bezogen auf Situationen oder Aktivitäten, die vermieden werden

+             Wiederholte, länger anhaltende imaginative Konfrontation mit Traumaerinnerungen

Das Konzept ist, dass den Betroffenen durch die Auseinandersetzung mit Traumaerinnerungen oder mit verschiedenen Triggern klar wird, dass sie mit solchen Situationen fertig werden und ihnen dabei nichts Übles zustößt. Außerdem können sie die Erfahrung machen, dass sich ihre Angst in der Situation, in der sie sich mit dem konfrontieren, was sie fürchten, sogar abnimmt.

Die Übungen, im Sinne der imaginativen Exposition und der in – vivo – Exposition helfen also, den Unterschied zwischen dem traumatisierenden Ereignis und anderen, zwar ähnlichen, aber ungefährlichen Situationen zu erkennen.

Weiters können wiederholte imaginative Expositionen die Klienten dabei unterstützen, anders als bisher über das Erlebte nachzudenken (kognitive Umstrukturierung). Hier noch einmal das Beispiel einer Klientin, die sich schuldig fühlt, weil sie glaubt, sich gegen einen Angreifer nicht genug gewehrt zu haben. Es sollte klar werden, dass ihr noch Übleres hätte widerfahren können, wenn sie sich noch heftiger gewehrt hätte.

Kernstück dieser Therapie besteht also darin, dass sich die Betroffenen in der Therapiesitzung imaginativ in die traumatische Situation versetzen, das Trauma und die unangenehmen Gefühle nochmals durchleben. Die Therapiesitzungen werden aufgenommen, die Patienten erhalten die Aufgabe, sich diese Aufnahmen zu Hause täglich anzuhören. Bei wiederholter Anwendung dieser Technik klingen die anfänglich sehr heftigen emotionalen Reaktionen langsam ab, und die Symptome treten in den Hintergrund.

Literatur: Foa, Rothbaum, Hembree, Arbeitsbuch Prolongierte Exposition, G.P.Probst Verlag, 2014

Traumabearbeitung

  • EMDR – Eye Movement Desensitization and Reprocessing

Francine Shapiro

Zu EMDR wird angenommen, dass durch die bilaterale Stimulation mittels bestimmter Augenbewegungen (oder auch akustische oder taktile Reize), eine Synchronisation der Gehirnhälften bzw. eine innere Reorganisation der dysfunktional wirkenden Traumaerfahrung ermöglicht wird.

Wir hatten bereits besprochen, dass ein Trauma beispielsweise ein `sprachloses Entsetzen´ hervorrufen kann. Das heißt, dass in Teilen des Gehirns Erlebnisse in einer belastenden Art und Weise gespeichert werden und vom Klienten auch belastend erlebt werden, weil das Sprachzentrum blockiert oder unterdrückt war.

Diese Blockaden sollen durch die neuerliche Synchronisation aufgelöst werden.

Eine EMDR – Sitzung verläuft typischerweise in 8 Phasen:

1. Phase:

Eine genaue Anamnese der belastenden Ereignisse / des Ereignisses

Gute Information zur Behandlungsmethode

Erstellung eines Behandlungsplanes

2. Phase:

Stabilisierung und Vorbereitung des Patienten, d.h. typischerweise die Etablierung eines `Sicheren Ortes´, an den sich der Patient jederzeit zurückziehen kann, wenn die Arbeit zu belastend wird

3. Phase:

Die belastende Erinnerung / Erinnerungen werden bewertet hinsichtlich der Intensität der Gefühle, der Gedanken, der Körperempfindungen und der auftauchenden Bilder.

Dann erfolgt eine negative innere Bewertung, z.B.: `ich bin selber daran schuld´ und jeweils eine positive entgegenstehende Bewertung, z.B.: `ich hätte überhaupt nichts dagegen machen können´, jeweils auf einer Skala von 0-10.

4. Phase:

Dies ist die eigentliche Kernphase der Behandlung: die Patientin wird ersucht, in Kontakt mit ihren Erinnerungen zu treten, und dann mit ihren Augen den zwei Fingern (oder dem Bleistift, oder..) der Therapeutin zu folgen, die vor den Augen der Patientin hin und her bewegt werden. Der Kopf soll dabei nicht bewegt werden.

Diese Bewegungen werden immer wieder unterbrochen und die Patientin wird nach ihren Empfindungen zu den Erinnerungen befragt, bzw. dazu, was sich bereits an Intensität verändert bzw. verringert hat.

5. Phase:

Die vor dieser Sequenz besprochenen positiven Gedanken / Bilder werden wiederum besprochen, eventuelle Veränderungen in der Skalierung (0-10) verankert.

6. Phase:

In dieser Phase erfolgt ein `Körperscan´ (beispielsweise nach Kabat-Zinn)

7. Phase:

Der Abschluss der Sitzung, mit einer intensiven Nachbesprechung der Empfindungen bzw. der Veränderungen

8. Phase:

Die Reflexion der jeweils letzten Stunde

Literatur: Francine Schapiro, EMDR Grundlagen und Praxis, Junfermann, 2013

Traumabearbeitung

  • Praktisches Vorgehen bei dissoziativen Störungen

Es gibt aus verschiedenen Schulen sehr hilfreiche Erklärungsmodelle und wirksame Therapieansätze zu diesem Thema. Ich möchte im Folgenden wieder einige verhaltenstherapeutischen Ansätze beschreiben, eine weitere Auseinandersetzung mit – beispielsweise – psychodynamischen Zugängen darf ich aber ausdrücklich empfehlen.

Die Herangehensweise zur Behandlung dissoziativer Störungen ist grundsätzlich abhängig von der Art und Schwere der Dissoziation und vom Vorhandensein möglicher komorbider Störungen.

Interventionen, die gezielt dissoziative Symptome ansprechen, sollten daher in einen Gesamtbehandlungsplan eingebettet sein.

Bei dissoziativen Störungen wie beispielsweise Amnesien, Fugue, Stupor, Depersonalisation oder Derealisation kann man beginnen, an den auslösenden Situationen (Themen, Kontexte,etc.) zu arbeiten. Sollte sich bei der Patientin während der Anamnese bereits eine Dissoziationsneigung gezeigt haben, vereinbaren Sie ein Zeichen, ein Ritual oder Ähnliches, um die Patientin gegebenenfalls `zurückholen´ zu können. In diesen Fällen ist auch die Etablierung eines `Sicheren Ortes´ für Patientinnen wenig hilfreich, weil die Versuchung, sich einer Konfrontation zu entziehen, zu attraktiv ist.

Der Ansatz zielt darauf ab, abgespaltene Erinnerungen oder gar Persönlichkeitsanteile wieder wahrzunehmen, die damit verbundenen Affekte und Ängste auszuhalten und die Integration zu einem einheitlichen Selbstempfinden zu ermöglichen. Aus psychodynamischer Perspektive bedeutet dies die Entwicklung eines integrierten psychischen Funktionierens durch Überwindung von Konflikten, aber auch von Entwicklungsdefiziten, die aus den wiederholten Traumatisierungen entstanden sind.

Die Lösung dieser Konflikte und Nachreifung der Defizite reduziert die Notwendigkeit, die dissoziative Abwehr aufrechtzuerhalten oder auszuagieren. (Zit.: Dr. Ursula Gast, Vierwaldstätter Therapietagung 2016)

Der Idee der Identifizierung und Bearbeitung von Auslösern von Dissoziationen liegt die Erfahrung zu Grunde, dass Patientinnen in Ermangelung anderer Bewältigungsmechanismen regelmäßig mit Dissoziation reagieren. Aus einem ehemaligen, sehr sinnvollen, Schutzmechanismus wird somit ein Vermeidungsmechanismus, der hinderlich ist, um eine aktuelle Situation angemessen zu bewältigen. Auch verhindert eine habituelle Dissoziation z. B. in Form von Depersonalisation und Derealisation häufig die Integration neuer emotionaler Erfahrungen während einer Therapie (Ebner-Priemer et al. 2009).

Dissoziative Reaktionen dienen ja im Grunde – sinnvoller Weise – der Vermeidung schmerzhafter Affekte. Es gilt also, den Bewältigungsmechanismus der Dissoziation nach und nach aufzugeben und durch andere Strategien zu ersetzen. Dabei ist es hilfreich zu vermitteln, dass die dissoziative Bewältigung in der traumatischen Situation als Notfallmaßnahme sinnvoll war, sich dann aber zunehmend verselbständigt hat und für die aktuelle Lebenssituation dysfunktional geworden ist. 

Abhängig davon, ob es sich um eine einmalige oder um eine strukturelle Traumatisierung handelt, unterscheidet sich die Vorgangsweise. Patienten, die keine verläßlichen primären Bezugspersonen hatten, die ihnen bei der Regulierung und Modulation ihrer Affekte zur Verfügung standen, konnten den Umgang mit Affekten schlicht nicht lernen. In traumatischen Situationen wurden Affekte als überwältigend und quälend erlebt, so dass Gefühle jeglicher Art häufig aus dem normalen Leben ausgeklammert und abgekapselt wurden. Damit stehen ihnen Möglichkeiten zur Regulation ihrer Bedürfnisse grundsätzlich nicht zur Verfügung. Der Aufbau einer sicheren, tragfähigen Beziehung im Sinne eines `reparenting´ (Jeffrey E. Young) ist in der Therapie also ein Kernthema.

Die Arbeit an den Auslösern, das Benennen und Aushalten  von Affekten, entsprechende Konfrontationen und Umstrukturierungen sind aber auch bei einmaligen, erschütternden Erlebnissen essentielle Elemente zur Bearbeitung der Symptome und des Traumas an sich. Wobei auch hier, durch entsprechender Anamnese, geklärt werden muß, ob die grundsätzlichen Fähigkeiten zur Bewältigung von Krisen vor dem erschütternden Ereignis bestanden haben.

Integration

Die Integration des Erlebten mit all seinen Auswirkungen in ein kohärentes Selbstbild ist also das zentrale Thema jeder Traumatherapie. Wobei es bei der Therapieplanung immer darauf ankommt, ob die Patientin sich darauf einlassen will, das Trauma an sich bearbeiten zu wollen, oder ob es – für den Moment – ausreichend ist, die Traumafolgen besser zu verstehen und besser kontrollieren zu können.

Auch Trauer und Zorn erfüllen hier eine wichtige Funktion, allerdings geht es auch darum, das verlorene Vertrauen in Beziehungen wiederherzustellen, oder – wie bei frühen Verletzungen – ein nie  erlebtes Beziehungserleben erstmals zu etablieren.

Die traumatischen Erfahrungen sollten letztendlich Teil des autobiografischen Gedächtnisses werden. Ein Trauma prägt einen Menschen entweder oder verändert den Menschen. In seinem Weltbild und seinem Selbstbild. Jedenfalls stellt sich die Frage nach dem nächsten, sinnvollen Schritt: `Wer bin ich jetzt, nach all diesen Erfahrungen, wie erlebe ich mich selbst, wie bewältige ich meine Gegenwart und wie sind meine Wünsche an meine Zukunft´. Wobei natürlich gilt: `Man kann nicht zwei mal in den gleichen Fluss steigen´ ( Heraklit, 6.Jahrhundert v. Chr. )

Literatur:

Anke Ehlers, Hogrefe Verlag 1999: Posttraumatische Belastungsstörung

Edna Foa, Elizabeth A. Hembree, Barbara Olasov Rothbaum, G.P.Probst Verlag 2014: Arbeitsbuch Prolongierte Exposition

Liedl, Schäfer, Knaevelsrud, Beck Verlag 2014: Psychoedukation bei posttraumatischen Störungen

Gerhard Zarbock, Pabst Verlag 2008: Praxisbuch Verhaltenstherapie

Seidler, Freyberger, Maercker ( Hrsg.), Klett-Cotta 2011: Handbuch der Psychotraumatologie

Busch, Hermann, ZBM 2019/5: Worte finden für das Unsagbare

Jan Gysi, Sollievo.net 2018: Veränderungen im ICD-11 im Bereich Trauma und Dissoziation

Boon, Steele, Van der Hart, Junfermann 2013: Traumabedingte Dissoziation bewältigen

Burkhard, Schattauer 2012, Achtsamkeit

Ulrich Sasse, Schattauer 2011,Traumazentrierte Psychotherapie

Storch, Cantieni, Hüther, Tschacher, Huber Verlag 2011, Embodiment

Rießbeck/Müller, Kohlhammer Verlag 2019, Traumakonfrontation-Traumaintegration

Robin Shapiro, Probst Verlag 2019, Ego-State- Interventionen

Anne Boos, Hogrefe 2005, Kognitive Verhaltenstherapie nach chronischer Traumatisierung

Peter A. Levine, Kösel 2010, Sprache ohne Worte