Zusammenfassung der aktuellen verhaltenstherapeutischen Konzepte (Rabenstein)

Rafael Rabenstein

rafael@rabenstein.net

Es gibt eine zunehmde Zahl an Ansätzen, Modellen, Erweiterungen und zum Teil Ansätze die sich als eigenständige Therapieform etablieren wollen innerhalb der Verhaltenstherapie. Allerdings haben alle gemeinsame Wurzeln in der kognitiven Psychologie und der Lernpsychologie. Ziel dieses Buches ist aber eine Zusammenschau, eine Synthese und Vereinfachung mit Betonung auf dem Verbindenden dieser Fragementierung. Oft sind Weiternetwicklungen bekannte Phänomäne mit neuen Namen. Daram ist es wichtig dieser fragmentierung kritisch gegenüber zu stehen und auch das Verbindende wieder stärker in den Mittekpunkt zu bringen.

Abbildung 25: Modell einer personalisierten, evidenzbasierten und modularen Psychotherapie

Wir verfolgen einen ahnlichen Ansatz wie die modulare Psychotherapie nach Herpetz et al. (2016). Dieser beinhaltet eine evidenzbasierten und störungsspezifischen Zugang. Ebenso postoliert sie verschiedene Funktionbeeinträchtigungen durch neurophysiologische Korrelate. Zum Beispiel „Theory of Mind“ Probleme bei Psychosen und der Borderline Persönlichkeitsstörung. Diese Funktionsstörungen sollen gezielt therapeutisch bearbeitet werden. Zum Beispiel dem Metakognitiven Training und/oder sozialem Kompetenztraining werden.  Aus unserer Sicht soll neben einem störungsspezifischen Zugang nach erfolgter Diagnose immer ein personalisierter Zugang gewählt werden, nicht als Ersatz, sondern Ergänzend und in eine umfassende Behandlung integriert.

Beispiele für individualisierte, an Funktionsbeeinträchtigungen orienierte Interventionen:

  • Problemlösen
  • Selbstkontrollverfahren 
  • Emotionsmodulation/regulation – DBT Skills
  • Expositionsbasierte Techniken (in sensu, in vivo)
  • Kognitive Umstrukturierung 
  • Verhaltensexperimente 
  • Metakognitive Intervention 
  • Kontingenzmanagement
  • Achtsamkeitsbasierte Interventionen
  • PMR
  • Imaginative Techniken
  • Metakognitives Training

Abbildung 26: horizontale Verhaltensanalyse

Horozontale Verhaltensanalyse (Abbildung 23: horizontale Verhaltensanalyse): Ausgehend vom instruemntellen bzw. operanten Lernen hat sich das SORK-Schema entwickelt. Im Gegensatz zur Balck-Box, wird den O-Variablen, der Organismus-Variable große Bedeutung zugemessen. Motivationale Aspekte des Verhaltens sind ein wesentlicher Teil der Verhaltenstherapie.

Abbildung 27: vertikale Verhaltensanalyse

Vertikale Verhaltensnalyse (Abbildung 27: vertikale Verhaltensanalyse): Auch wenn man verschiedene Modelle zur Auswahl hat, wird hier ein integrativer Ansatz bevorzugt. Neben den grundbedürnissen werden hier Schemata unabhängig vom dahinter liegenden Modell als oberste hirachisches Ordnungskonzept dar gestellt. Ob als primäre oder sekundäre Emotion oder maladaptive Schemata. Es soll der begriff verwendet werden der für den Patienten und seine Problematik am besten passt. Darunter werden Pläne oder auch Annäherungs- und Vermeidungsziele angeführt. Vor allem wenn diese Konflikthaft sind lohnt sich eine ausführliche Besprechung. Regeln sind die ausführenden betsimmungen, also wie ein Plan umgesetzt werden muss/soll.

Automatische Gedanken sind neben Bildern und Selbstbeschriebungen auch Interpretationen und zum Teil problematische Bewertungen (kognitive verzerrungen) besonders wenn Patienten zum voreiligen Schlüssezehen neigen lohnt es sich mittels kogntiver Strategien diese umzustrukturieren.

Abbildung 28: Bio-Psycho-Soziales Bedingungsmodell

Das Bio-Psycho-Soziale Bedingungsmodell (Abbildung 28: Bio-Psycho-Soziales Bedingungsmodell) fasst die Erkenntnisse und Hypothesen der vertikalen und horizontalen Verhaltensanalysen zusammen. Vorausgehende Bedingungen, bzw. die Arbeit in der Biographie ist dabei nur soweit wichtig als es darum geht ein Problemverständnis zu erarbeiten, allerdings ist es für viele Patienten wichtig und wertvoll ein tiefergehendes Verständnis für ihre aktuellen Probleme zu erlangen. Oft ist aber die Funktionalität, bzw. die aufrechterhaltenden Bedingungen der wichtigste Ansatzpunkt therapeutischen Vorgehens. Wenn zum Bespiel Selbstverletzungen, Suchtmittelkonsum oder andere selbstschädigenden Verhaltensweisen maladaptive Emotionsregulationsversuche dienen.

Veränderung vs. Stabilisierung (Abbildung 29: Interventionen der Verhaltenstherapie): Neben störungsspezifischen, evidenzbasierten Ansätzen für isolierte psychische Störungen, gibt es eine Vielzahl an betroffenen Menschen die eine oder mehr komorbide Störungen haben, seit Jahren chronisch krank sind und darüber hinaus psychosoziale Beeinträchtigungen haben. Aspekte wie Heilung sind in diesen Fällen keine realistischen bzw. vordergründigen Ziele. Unabhängig von der Prognose ist es wichtig die therapeutischen Ziele und Interventionen am psychosozialen Funktionsniveau des Patienten anzupassen.

Dies gilt natürlich für jede Psychotherapie, aber in besonderem Maße für Menschen die eine oder mehrere Beeinträchtigungen in ihrem Funktionsniveau erleben.

Abbildung 29: Interventionen der Verhaltenstherapie

Darum ist ein hierarchischer Ansatz bei der Auswahl von Zugängen immer im Hinterkopf zu behalten und falls sich ein störungsspezifischer und immer auch personalisierte Zugang als zu belastend erweist einen niederschwelligeren Zugang zu wählen (Abbildung 29: Hierarchie therapeutischer Ansatzpunkte).

Natürlich sind diese Stufen nicht voneinander getrennt und überlappen einander. Allerdings ist es wichtig flexibel den therapeutischen Prozess an die Momentane Situation des Patienten anzupassen.

Wichtiger Ansatzpunkt sollte aber immer auch ein personalisierter, evidenzbasierter Ansatz sein (außer in akuten Krisen), da jeder Patient zumindest einmal eine bewährte und wirksame Therapie bekommen sollte. Ob als erster und ausreichender Ansatzpunkt oder im Laufe eines länger andauernden Prozesses.

Abbildung 30: Hierarchie therapeutischer Ansatzpunkte

Die Beziehungsgestaltung in der modernen Verhaltenstherapie hat sich vom rein „Medizinischen Modell“ verabschiedet, d.h. der therapeutischen Beziehung wird besondere Aufmerksamkeit geschenkt. Ob als Grundlage, Moderator um die Motivation für Veränderung zu gewinnen und auch unangenehme Interventionen zu tragen, oder als Beziehung als Wirkfaktor, im Sinne einer korrektiven Erfahrung, oder der begrenzten elterlichen Fürsorge /Reparenting. Aus wissenschaftlicher Sicht es derzeit wohl nur Evidenz für den Wert der therapeutischen Ambulanz. Auch wenn Webbassierte, E-Mental Health Anwendungen auch gänzlich ohne therapeutische Begleitung ebenfalls wirksam zu sein scheinen.

Wichtig ist eine flexible und an den Bedürfnissen der Patienten orientierte Beziehungsgestaltung (Abbildung 27: Dimensionen der therapeutischen Beziehung) zu wählen. Dialektisch zwischen den Polen Veränderung/Konfrontation und Akzeptanz/Validierung zu wechseln. Strategien an der therapeutischen Beziehung ansetzen, aber ebenso Strategien zur Problemlösung einzusetzen. All diese Dimensionen sollen komplementär/motivorientiert in der Beziehung eingesetzt werden.

Abbildung 31: Dimensionen der therapeutischen Beziehung

Unabhängig von persönlichen und individuellen Zielen ist ein übergeordnetes Ziel der Verhaltenstherapie Menschen zu ermöglichen aktiv ihr Leben zu gestalten und am sozialen Leben teilzuhaben. Diese, unabhängig körperlichen oder psychischeren Beeinträchtigungen, die zwar gemildert oder beseitigt werden sollen, sollten aber nicht das einzige (Erfolgs-)Kriterium für Psychotherapie darstellen. Eine soziale und berufliche Partizipation und eine Möglichkeit dieses aktiv zu verfolgen sind wesentliche übergeordnete Ziele jeder Therapie. Dies erfolgt im Sinne des „Selbstmanagements“ und „Empowerments“, also der Ermächtigung eigene Ziele erfolgreich umzusetzen. Wichtig ist hierbei den soziokulturellen Kontext zu beachten und diese Ziele auf eine sozialverantwortliche Weise zu verfolgen.

Zentrale Annahmen der modernen Verhaltenstherapie:

  • Der Mensch ist ein soziales Wesen
  • Therapie ist Hilfe zur Selbsthilfe
  • Der Mensch ist zur Selbststeuerung und Selbstkontrolle fähig
  • Verhalten ist durch Grundbedürfnisse bestimmt, diese zeigen sich in Zielen, Werten, Plänen und Motivationalen Schemata
  • Menschen sollen zur Selbstregulation und Selbstkontrolle ermächtigt werden
  • Im Sinne des Empowerments sollen Menschen befähigt werden ihre Ziele in ihrer sozialen Welt umzusetzen und an dieser Teilzuhaben
  • Menschen sollen ihre Bedürfnisse und Ziele im Einklang ihrer sozialen Umwelt umsetzen lernen – sozialbezogene Autonomie
  • der Therapieprozess ist als dynamisches und inter­aktives Problemlösen zu verstehen
  • Transparenz ist eine der wichtigsten Grundlagen des therapeutischen Handelns
  • Therapie folgt dem Prinzip der minimalen Interventionen
  • Therapie soll der Maximierung persönlicher Freiheit dienen
  • prinzipieller Pluralismus

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